Erwerb der mathematischen Grundfertigkeiten
und Dyskalkulie

In Österreich werden für Dyskalkulie auch die Begriffe Rechenstörung/Rechenschwäche synonym verwendet. Sehr wohl unterscheiden sich diese Begriffe aber in der Diagnostik und beispielsweise in Deutschland.

So wie beim Schriftspracherwerb eignen sich Kinder bereits vor Schulbeginn wichtige Vorläuferfertigkeiten im mathematischen Bereich an. Sie erkennen spontan Würfelbilder, können Mengen bis zehn zählen oder Fingerbilder auf einen Blick erfassen und spontan zeigen. Auch bei einem Brettspiel die gewürfelte Augenzahl richtig weiterzufahren, gehört zu diesen Fertigkeiten. Zeigt Ihr Kind zu Schulbeginn hier Schwierigkeiten, kann das auf das Risiko einer Rechenschwäche hinweisen. Denn wie bei Legasthenie, gibt es auch bei Dyskalkulie unterschiedlichste Erscheinungsformen.

Im ersten Schuljahr lernen die SchülerInnen den Zahlenraum bis zwanzig. Kinder mit Dyskalkulie/Rechenstörung/Rechenschwäche haben meistens die Zahlenzerlegung (Zusammensetzung) nicht verstanden und können die Ergebnisse der Rechnungen im Zahlenraum zehn nicht automatisch abrufen. Da sie sich vom zählenden Rechnen nicht lösen können, benützen sie auch noch in der zweiten Schulstufe die Finger oder zählen leise die Zahlen im Kopf dazu bzw. weg.

In den darauf folgenden Schulstufen zeigen sie weitere Schwierigkeiten beim Orientieren im Zahlenraum 100 und weiter dann im Zahlenraum 1000, beim Verstehen des Stellenwertsystems (T, H, Z, E) und bei der Zehner- und Hunderterüberschreitung. Vielen Kindern sind Textaufgaben ein Gräuel, weil sie deren Inhalt nicht verstehen und die passende Rechenoperation dazu nicht finden. Maßeinheiten, Zeit und Geld stellen für viele ein unüberbrückbares Problem dar.

Schulunlust, Angst vor dem Versagen und vermindertes Selbstwertgefühl sind mögliche Sekundärsymptome (Folgen). Trotz stundenlangen Übens stellt sich nicht der gewünschte Erfolg ein.

Um gezielt fördern und einen Therapieplan erstellen zu können, ist eine genaue und umfassende Abklärung (Diagnostik) notwendig. Auch hier zeigt die Erfahrung, dass jedem Kind im Rahmen seiner Stärken und Schwächen geholfen werden kann.

Definition Dyskalkulie

So wie für die Lese-/Rechtschreibstörung gibt es in der Internationalen Klassifikation psychischer Störungen (ICD-10) der Weltgesundheitsorganisation WHO auch eine Diskrepanzdefinition für die Rechenstörung. Die Problematik wird unter „Umschriebene Entwicklungsstörungen schulischer Fertigkeiten F81.2“ folgendermaßen erläutert:

„Diese Störung besteht in einer umschriebenen Beeinträchtigung von Rechenfertigkeiten, die nicht allein durch eine allgemeine Intelligenzminderung oder eine unangemessene Beschulung erklärbar ist. Das Defizit betrifft vor allem die Beherrschung grundlegender Rechenfertigkeiten, wie Addition, Subtraktion, Multiplikation und Division, weniger die höheren mathematischen Fertigkeiten, die für Algebra, Trigonometrie, Geometrie oder Differential- und Integralrechnung benötigt werden.“

Für die Diagnose Rechenstörung muss somit eine Diskrepanz zwischen dem allgemeinen Entwicklungsalter eines Kindes und seiner Rechenleistung gegeben sein.

Diskrepanzdefinitionen werden jedoch in der pädagogischen Praxis kritisch betrachtet, denn sie grenzen viele Kinder mit mathematischen Schwierigkeiten von der Förderwürdigkeit aus.
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